Tristan und Isolde
König Marke, wie die Sage meldet,
Liess begraben Tristan und Isolden
Zu den beiden Seiten eines Kirchleins,
Noch im Tod die Liebenden zu trennen.
Doch aus Tristans Hügel schoss ein Weinstock,
Rosen wuchsen aus Isoldens Grabe,
Strebten eilig aufwärts an den Mauern,
Trieben mächt'ge sehnsuchtsvolle Ranken,
Spannen sich empor des Daches Flächen,
Und - ein Wunder war's nach wenig Jahren
Rankten hoch am First schon ineinander
Unzertrennbar Rosenbusch und Rebe.
Rosen blühten leuchtend nun im Weinlaub,
Trauben hingen in den Rosenzweigen!
Dieses holde Wunder zu beschauen,
Pilgerten herbei aus weitem Umkreis
Gern die zärtlich hold verliebten Paare,
Und nachdem voll Andacht sie gestaunet,
Schauten sie sich leuchtend in die Augen,
Ihre Hände rankten ineinander,
Und sie küssten sich und sprachen gläubig:
"Stärker als der Tod ist treue Liebe !"
von Heinrich Seidel (1842-1906)
Liess begraben Tristan und Isolden
Zu den beiden Seiten eines Kirchleins,
Noch im Tod die Liebenden zu trennen.
Doch aus Tristans Hügel schoss ein Weinstock,
Rosen wuchsen aus Isoldens Grabe,
Strebten eilig aufwärts an den Mauern,
Trieben mächt'ge sehnsuchtsvolle Ranken,
Spannen sich empor des Daches Flächen,
Und - ein Wunder war's nach wenig Jahren
Rankten hoch am First schon ineinander
Unzertrennbar Rosenbusch und Rebe.
Rosen blühten leuchtend nun im Weinlaub,
Trauben hingen in den Rosenzweigen!
Dieses holde Wunder zu beschauen,
Pilgerten herbei aus weitem Umkreis
Gern die zärtlich hold verliebten Paare,
Und nachdem voll Andacht sie gestaunet,
Schauten sie sich leuchtend in die Augen,
Ihre Hände rankten ineinander,
Und sie küssten sich und sprachen gläubig:
"Stärker als der Tod ist treue Liebe !"
von Heinrich Seidel (1842-1906)
Aushilfsheld - 4. Jun, 21:43
Aus Tristan und Isolde
Wer die Schönheit angeschaut mit Augen,
Ist dem Tode schon anheim gegeben,
Wird für keinen Dienst auf Erden taugen,
Und doch wird er vor dem Tode beben,
Wer die Schönheit angeschaut mit Augen.
Ewig währt für ihn der Schmerz der Liebe,
Denn ein Thor nur kann auf Erden hoffen,
Zu genügen einem solchen Triebe.
Wen der Pfeil des Schönen je getroffen,
Ewig währt für ihn der Schmerz der Liebe!
Was er wünscht, das ist ihm nie geworden,
Und die Stunden, die das Leben spinnen,
Sind nur Mörder, die gemach ihn morden:
Was er will, das wird er nie gewinnen,
Was er wünscht, das ist ihm nie geworden.
Ach, er möchte wie ein Quell versiechen,
Jedem Hauch der Luft ein Gift entsaugen
Und den Tod aus jeder Blume riechen:
Wer die Schönheit angeschaut mit Augen,
Ach, er möchte wie ein Quell versiechen!